Aus anderer Sicht. Die frühe Berliner Mauer
Annett Gröschner und Arwed Messmer
In unserem kollektiven Gedächtnis ist die Mauer ein Band aus Beton, glatt und mit einem Rohraufsatz. 1966 aber bildeten Ruinen, Hausmauern, Drahtzäune, Stacheldrahtverhaue und übereinander geschichtete, horizontale Betonstreifen die damals schon fast unüberwindbare Grenze.
Zum 50. Jahrestag des Mauerbaus präsentieren Annett Gröschner und Arwed Messmer „Aus anderer Sicht. Die frühe Berliner Mauer“ als Buch und Ausstellung. Die einzigartigen Panoramen bilden die innerstädtische Berliner Mauer mit dem Blick der Bauherren vollständig ab.
Der Fotograf aus dem Westen und die Autorin aus dem Osten Deutschlands entdeckten Anfang der Neunzigerjahre bei Recherchen im Militärischen Zwischenarchiv einen Schatz - einen Pappkarton voller Negative. Die Bilder zeigten den Mauerstreifen aus DDR-Innensicht, und sie unterlagen bis zur Wende strengster Geheimhaltung.
1966 hatten Grenztruppen der DDR den innerstädtischen Mauerverlauf über die ganze Länge von 43,7 km (von Treptow bis Pankow und ausschließlich auf Ostberliner Seite) fotografisch erfasst. Dokumentiert werden sollte der schlechte Zustand der aus unterschiedlichsten Materialien bestehenden, im offiziellen Sprachgebrauch der DDR-Grenztruppen als PTA (pioniertechnische Anlage) bezeichneten Grenze zu Westberlin. Die Filme wurden entwickelt - und vergessen...
Das Ausstellungs- und Buchprojekt zur frühen Berliner Mauer will vor allem das Atmosphärische der Teilung für beide Seiten Berlins erfahrbar machen. Das Fotografieren der Grenzanlagen auf östlicher Seite war Privatpersonen streng verboten und wurde mit empfindlichen Strafen geahndet. Der Blick vom Ostteil Berlins nach Westen ist nicht nur neu und ungewohnt, er offenbart auch ein seltsam disparates Westberlin, das so gar nicht dem Mythos des „Goldenen Westens“ zu entsprechen scheint.
Das aus rund 1.500 Einzelnegativen bestehende Konvolut wird in 340 Panoramen gezeigt, die Arwed Messmer digital bearbeitet hat und die die innerstädtische Mauer vollständig abbilden. Die Panoramen nehmen in der Ausstellung 200 Meter Länge ein und werden mit Textbändern versehen, die sich auf Geschehnisse am jeweiligen Ort – Mitte der 1960er Jahre – beziehen und von Annett Gröschner aus den Akten recherchiert und verdichtet wurden.
Ergänzt wird die Ausstellung der Panoramen durch Bilder von Wachtürmen, Tatorten, Soldatenporträts und einem Skizzenbuch über Fluchten zwischen 1964 und 1970.
„Aus anderer Sicht. Die frühe Berliner Mauer“ wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. In Kooperation mit dem Bundesarchiv.
Kooperationspartner im Ausland ist in Frankreich das Centre Franco-Allemand de Provence.